Impuls zum Fronleichnamsfest (C) am 16. Juni 2022

„Der Dienstag vor 2000 Jahren begann nicht gut.

Der Himmel ist bewölkt. Die Brotpreise steigen.

Es gibt Hassbotschaften, selbst aus unserem Netz.

Wir brauchen eine Pause, das ist offensichtlich. Also brechen wir auf und verschwinden.

Denn das habe ich gelernt in dieser Zeit:

dass man es nicht allen recht machen kann.

Aber wir bleiben nicht allein. Andere kommen dazu.

Leute, die wir noch nie gesehen haben.

Wir setzen uns ins Gras. Es liegt was in der Luft:

Etwas Unvollendetes, eine Sehnsucht, die sich heute Abend erfüllen könnte. „Ich bin das Licht“, sagt Jesus,

und die Leute halten ihre Gesichter in die Sonne.

„Ich bin das Brot“, sagt er.

Ich schließe die Augen und lasse die Worte auf der Zunge zergehen.

„Es ist spät“, flüstert Petrus. „Die Leute haben Hunger.“

Und dass wir jetzt mal was organisieren müssten.

Ich schließe meine Augen wieder. Ich will nichts organisieren.

Am Horizont erscheint der erste Stern.

„Schickt sie nicht weg“, sagt Jesus. „Es ist so schön. Gebt ihr ihnen zu essen.

Wir haben fünf Brote, zwei Fische und einen angebissenen Apfel.

Jesus sieht zum Himmel und dankt dafür.

Ich kenne niemanden sonst, der für einen angebissenen Apfel dankt.

Für das Wenige, das Halbe, das Unvorbereitete. Das, was jetzt da ist.

Mein Herz klopft, als er uns das Brot gibt.

„Nehmt“, sagt er. „Gebt.“

Wir reichen weiter, was wir haben. Ohne abzuzählen. Ohne uns zu versichern, dass es genug ist. Wir machen einfach.

Die Mutigen greifen zu. Schmecken. Kosten den Moment und genießen.

Keiner beschwert sich, dass es zu wenig ist. Niemand drängelt.

Alle machen mit. Die Angst, es könnte nicht reichen, verschwindet.

Über die Wiese wehen Worte und Lachen, jemand holt eine Mundharmonika raus. Es ist längst dunkel geworden, aber niemand will gehen.

Ist das ein Wunder?“

Auf diese schöne Weise erzählt uns die Autorin Susanne Niemeyer die Geschichte von der wundersamen Brotvermehrung.

 „Gebt ihr ihnen zu essen.“ sagt Jesus zu seinen Jüngern. Er nimmt das scheinbar wenige, was da ist – fünf Brote und zwei Fische (und ja, es könnte auch ein angebissener Apfel dabei gewesen sein) – und verwandelt es in Fülle.

„Gebt ihr ihnen zu essen.“ sagt Jesus auch uns – heute, etwa 2000 Jahre später, am Fronleichnamsfest, an dem wir singend und betend durch unseren Ort ziehen und mithilfe einer kostbar verzierten Monstranz bezeugen, dass Jesus im Brot bei uns ist.

„Gebt ihr ihnen zu essen.“ bedeutet: In der Weise, in der wir als Christen leben, machen wir Jesus, machen wir Gott in unserer Welt sichtbar.

 „Gebt ihr ihnen zu essen.“ Das Fest Fronleichnam endet nicht damit, dass der Leib Christi einfach wieder im Tabernakel verschwindet und die Monstranz bis zum nächsten Mal in einem Schrank der Sakristei verstaut wird.

Vielmehr lädt uns dieses Fest heute ein, dass wir selber für unsere Mitmenschen zum Brot werden, um sie mit der Nahrung des Glaubens zu beschenken.

„Gebt ihr ihnen zu essen.“ Auch wenn es scheinbar wenig ist, was wir zur Verfügung haben und geben können – es könnte für andere zum Wunder werden.

Im Namen des Pastoralteams St. Severin wünsche ich Ihnen ein wunder-bares Fronleichnamsfest!

Ihre Jenny Kruse, Gemeindereferentin

Und so beschreibt der Evangelist Lukas die Brotvermehrungsgeschichte im heutigen Evangelium:

In jener Zeit redete Jesus zum Volk vom Reich Gottes
und machte gesund, die der Heilung bedurften.
Als der Tag zur Neige ging,
kamen die Zwölf
und sagten zu ihm: Schick die Leute weg,
damit sie in die umliegenden Dörfer und Gehöfte gehen,
dort Unterkunft finden und etwas zu essen bekommen;
denn wir sind hier an einem abgelegenen Ort.
Er antwortete ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen!
Sie sagten: Wir haben nicht mehr
als fünf Brote und zwei Fische;
wir müssten erst weggehen
und für dieses ganze Volk etwas zu essen kaufen.
Es waren nämlich etwa fünftausend Männer.
Er aber sagte zu seinen Jüngern:
Lasst sie sich in Gruppen zu ungefähr fünfzig lagern!
Die Jünger taten so
und veranlassten, dass sich alle lagerten.
Jesus aber nahm die fünf Brote und die zwei Fische,
blickte zum Himmel auf,
sprach den Lobpreis und brach sie;
dann gab er sie den Jüngern,
damit sie diese an die Leute austeilten.
Und alle aßen und wurden satt.
Als man die übrig gebliebenen Brotstücke einsammelte,
waren es zwölf Körbe voll.

(Lk 9,11b-17)