Impuls zum 4. Sonntag der Osterzeit (C), 8. Mai 2022

Impuls zum 4. Sonntag der Osterzeit

Lesejahr C,   08. Mai 2022

.  .  .  aber ich tu mich schwer damit, „ein Schaf zu sein“.

Wenn ich Schaf höre, denke ich an lammfromm, naiv und dumm, an den Herdentrieb, der das eigene Reflektieren außer Kraft setzt, an das schwarze Schaf, an die unschmeichelhafte Bezeichnung „Schafskopf“ und an das Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird … Bei aller Possierlichkeit, selbst als Schaf bezeichnet zu werden, stört mich und ist mir fremd.

Um mich ein wenig anzunähern habe ich recherchiert und unter der Überschrift „10 Fakten über Schafe“* erstaunliche Eigenschaften gefunden, die ich durchaus gerne auf mich übertrage. Schafe sind z.B. sehr soziale Tiere, bauen Freundschaften auf und empfinden Trauer, wenn eines ihrer Herdenmitglieder stirbt. Sie sind sehr sanftmütig, ganz selten nur kämpfen sie miteinander. Schafe entwickeln individuelle Sympathien und haben die Fähigkeit der Unterscheidung der Gesichter – mind. 50 Gesichter ihrer Artgenossen und zehn Menschengesichter können sie sich über zwei Jahre oder länger merken. Außerdem sind sie in der Lage, bewusste Entscheidungen zu treffen. …

Also ist es doch gar nicht so schlecht, als Schaf bezeichnet zu werden?

Die Bildsprache der Bibel ist für uns heute manchmal schwer zugänglich, weil Bilder benutzt werden, die uns heute nicht mehr geläufig sind, oder die sich im Laufe der Zeit in Ihrer Wirkung und Bedeutung in ihr Gegenteil verkehrt haben.

In der Antike störte sich niemand daran, Menschen mit Schafen zu vergleichen. Die Geschichte des Volkes Israel ist voller Hirten und Schafe. Abraham, Isaak, Jakob und auch Mose und König David haben Schafe und anderes Vieh gehütet. So ist es nicht verwunderlich, dass der gute Hirte eine der ältesten und verbreitetsten Bezeichnungen für Jesus ist. Und schon im Alten (Ersten) Testament wird Gott mit einem guten Hirten verglichen. Der Psalm 23 ist dafür ein Paradebeispiel. Immer wird der Hirte dabei als Prototyp des Kümmerers gesehen. Er ist da für seine Schafe, sorgt für gute Weide- und Wasserplätze, auch wenn er und die Schafe dafür weit laufen müssen. Das Verhältnis zwischen Schafen und Hirte ist von Vertrauen und Nähe gekennzeichnet. In Wind und Wetter steht der Hirte den Tieren bei, egal ob eine Geburt ansteht, ein Tier verletzt oder krank ist, Gefahr droht durch Raubtiere oder Diebe oder ob ein Schaf verloren gegangen ist. Der Hirte geht ihm nach und sucht es. Und wenn es nicht aus eigener Kraft zurücklaufen kann, trägt er es auf seiner Schulter.

Wenn Jesus die Hirten mit ihren Herden durch das Land ziehen sah, war nicht immer eindeutig zu erkennen, wer führt und wer geführt wird. Manchmal ging der Hirte an der Spitze, wenn es galt, neue Weideplätze zu suchen. Dann wieder zog die Herde ihren Weg und der Hirte ging mit und begleitete.

So wird das Schafe-/Hirtenbild mir langsam sympathischer. Ich merke, dass es in Bildsprache das sagt, was mich seit jeher in meinem Glauben trägt:

Gott, der „Ich bin da“, ermutigt mich, mich auf sein Dabeisein in meinem Leben zu verlassen und darauf zu vertrauen, dass er sich um mich kümmert – auch wenn er mir die eigenen, manchmal schweren Lebenserfahrungen nicht abnimmt. So hat er mich doch im Blick und ist mitten dazwischen. Das gilt, das gilt für mich persönlich und das gilt für alle seine Menschen.

Ich wünsche Ihnen einen behüteten Sonntag!          

Renate Heyman  

 

* https://www.vier-pfoten.de/kampagnen-themen/themen/nutztiere/schafe/10-fakten-ueber-schafe

Evangelium des Sonntags: Joh 10,27-30

27 Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir.
28 Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen.
29 Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen.
30 Ich und der Vater sind eins.

Psalm 23

1 Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen.
2 Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
3 Meine Lebenskraft bringt er zurück. / Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, getreu seinem Namen.
4 Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich.
5 Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, übervoll ist mein Becher.
6 Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang / und heimkehren werde ich ins Haus des HERRN für lange Zeiten.